Jeder, dem ich erzähle, dass wir bald nicht mehr „Meltdown“ heißen fragt „Wieso?“. Nun, wir hießen Meltdown weil wir zu eben diesem eSports-Bar Franchise aus Frankreich gehör(t)en. Es war kein Name, den wir uns ausgedacht oder ausgesucht haben. Und nun verlassen wir das Meltdown und können den Namen nicht mehr nutzen. Das ist die einfache Antwort. Die Gründe für diese Entscheidung sind natürlich weitaus umfangreicher.
2015: ein großes Franchise und Gastronomie-Anfänger
Als wir uns 2015 entschlossen, uns dem Meltdown Franchise anzuschließen war dieses quasi auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung. In zig europäischen Ländern waren weit über 20 Bars verbreitet, das Netzwerk wuchs seit Jahren und beim Einstieg gab es ohne Ende Benefits: man bekam Pläne und Erfahrungen von dutzenden von Bars aus Jahren erfolgreicher Bar-Existenzen. Wie viel Miete kann ich bei Events fordern? Gegen wen kann ich mit meiner Community spielen? Was für Cocktails oder Shots kann ich anbieten und und und.
Dazu kam, dass wir enorm wenig Gastronomie-Erfahrung hatten. Events hatten wir gemacht, die Community stand bereit aber dahinter fehlte vieles. Das Franchise war in diesem Bereich gerade für unerfahrene Gastronomen wie uns enorm hilfreich!
Dazu bekam man über Partnerschaften nicht nur PCs sondern auch Peripherie, Gaming-Stühle, teamspeak-Server usw. Man sparte also enorm viele Anfangs-Investitionen für einen enorm geringen Invest.
2021: ein anderes Franchise
Seit 2015 hat sich jedoch einiges verändert: beim Meltdown Franchise selbst, in der Branche und bei uns.
Seit der Schließung des Meltdown Berlin sind wir allein in Deutschland. Das Netzwerk ist mehr zum Netzwerk geworden und zumindest hier in Deutschland kein Barbetreiber mehr. Das kann man zwar irgendwo nachvollziehen und vielleicht ist der Schritt auch eigentlich richtig weil so der Fokus auf dem Aufbau des Netzwerks und z.B. neuen Partnerverträgen liegt. So wird man nicht vom Tagesgeschäft gestört – und ein Barbetrieb bringt eine Menge unvorhersehbare, tägliche Störquellen mit sich!
Wir hätten uns gewünscht, dass es mehr Bars in Deutschland gegeben hätte. Am Besten auch eine unter Führung des Netzwerks damit es direkt im deutschen Markt involviert ist.
Die Branche im stetigen Wandel
Die Gaming-Branche ist ebenfalls anders als vor sechs Jahren. Blizzard ist nicht mehr das was es mal war, mit Battle Royal gibt es ein neues, junges Multiplayer-Genre und die ersten großen Mobile-Titel wagen sich in den eSport.
Außerdem haben wir „Konkurrenz“ in Köln selbst bekommen: mit dem Xperion Saturn gibt es ein riesiges Gaming-Center nur wenige Haltestellen vom Lost Level entfernt und zumindest was Hardware angeht können wir da nicht mithalten. (Klarstellung weil manche den Satz falsch verstanden haben: Ich bin ebenfalls im Xperion involviert und ein großer Fan des Konzepts. Wie gerne hätte ich so etwas als Jugendlicher gehabt! Ich sehe es aber nicht als Konkurrenz – darum die Anführungszeichen – weil unsere beiden Konzepte doch sehr stark voneinander abweichen. Köln als Gaming-Stadt kann sich sehr freuen, mit Saturn einen so großen Player mit im Boot zu haben und davon profitieren letztendlich alle!)
Stattdessen werden wir uns auf unsere eigenen Stärken konzentrieren: die Nähe zur Community und das Lost Level als ultimativen Treffpunkt für jeden Gamer und Nerd in der Kölner Umgebung.
Nicht zuletzt fühlte es sich manchmal so an, als läge der Fokus des Franchises nicht auf Deutschland – was durchaus verständlich ist wenn das Netzwerk selbst aus Frankreich kommt und die absolute Mehrheit der Bars in Frankreich liegt.
wir haben uns entwickelt
Letzten Endes haben auch wir uns gewandelt: wir sind nicht mehr core eSports sondern Nerds mit vielen Facetten und verdammt nochmal stolz darauf! Unsere Eventreihen Werwolf, Nerdquiz und Pen and Paper sind starke Zugpferde und haben nie mit dem Franchise zu tun gehabt (auch wenn inzwischen viele Bars ähnliche Projekte haben). Sie sind organisch durch die lokale Community gewachsen und haben uns auch durch die Pandemie begleitet (und supportet).
Letzten Endes ist die Entscheidung natürlich auch eine Kostenfrage weil Teil eines Netzwerks zu sein auch Geld kostet. Dafür bekamen wir aber eben auch Events, Webseite, Tools, Know How und und und…
Gerade in einer Pandemie mit schmalem Budget wird dieser Punkt umso wichtiger und problematischer. Wir haben uns darum für den Austritt entschieden, können aber auch komplett nachvollziehen, wenn andere das – selbst in unserer Situation – anders sehen würden. So gibt es auch andere Franchisees die gerade ihr zweites Meltdown eröffnen. Und ob wir nachher wirklich „günstiger“ dastehen ist nicht unbedingt sicher: allein mit der Webseite haben wir nun einen Haufen Arbeit (und Kosten) der vorher nicht existierte. Von Sponsoren- und Partnersuche fange ich gar nicht erst an…
Insgesamt wollten wir einfach „selbständiger“ sein und „unser eigenes Ding“ machen. Das Franchise war/ist cool aber es ist immer etwas anderes, eine eigene Marke zu haben mit der man machen kann was man will.
Vielleicht werden wir das Geld das wir ab sofort beim Franchise sparen irgendwann in neue PCs investieren (wobei natürlich z.B. für diese Website und Werbung für unsere neuen Social Kanäle auch einige neue Kosten auf uns zukommen). Gaming PCs an sich sind ein heikles Thema weil sie a) nicht unbedingt förderlich für den Umsatz einer Bar sind und b) nicht unbedingt die Stimmung in der Bar verbessern. Konsolen sind da einfach kommunikativer. Und eine Bar kann sich solche PCs eigentlich ohne Sponsor gar nicht leisten denn das ist schnell eine fünfstellige Investition die sich alle paar Jahre wiederholt.
Vorerst werden wir darum auf Gaming-PCs verzichten müssen wenn sich kein Sponsor an uns wendet (wir sind offen für eine Kooperation).
abschied mit lachendem und weinendem Auge
Die Trennung vom Meltdown Franchise kommt aber auch mit einem weinenden Auge. Das Franchise hat uns gerade in den Anfangszeiten gut unterstützt und viel Arbeit abgenommen. Der Name Meltdown wird noch lange bei uns mitschwingen und wir wünschen dem Netzwerk alles Gute. Für viele der Angestellten im Meltdown und natürlich vor allem für mich ist das Meltdown der Lebensmittelpunkt seit über sechs Jahren. Und es waren verdammt nochmal geile Jahre (Pandemie jetzt mal abgezogen 😉 ) mit tollen Veranstaltungen, Turnieren und Parties die uns auch durchs Franchise ermöglich wurden! Die Meltdown-Schilder die wir draußen abhängen landen nicht im Müll sondern im Wohnzimmer an der Wand neben den alten Menükarten.
Nicht mehr zu den jährlichen Franchise-Seminaren zu fahren und mit dutzenden von anderen Barbesitzern zu reden wird mir fehlen. Es war immer wieder toll zu erleben, dass die Bars in London, Madrid oder Budapest die gleiche Art von Gästen haben wie wir. Die gleichen Erfahrungen machen und die gleiche Motivation haben, geile Events zu veranstalten. Damit überall die Gäste ihr Hobby ausleben und gemeinsam genießen können.
Wie auf eine vergangene Beziehung schauen wir schon jetzt ab und zu nostalgisch zurück und denken „war doch nicht alles schlecht“ aber nun muss man sich auf das Neue besinnen.
Und neu ist laut Barney Stinson ja bekanntlich immer besser.